Mittwoch, 7. Oktober 2009

Teil 2: Bertelsmann-Netzwerke und die Finanzkrise

von Wiebke Priehn - Bertelsmannkritik:

Bertelsmann-Agent im SoFFin (Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung)

http://www.soffin.de/fonds_orga.php?sub=2
http://de.wikipedia.org/wiki/Finanzmarktstabilisierungsfonds

…ist Kurt Biedenkopf, Mitglied im Entscheidungsgremium des SoFFin, dem Lenkungsausschuss. Der CDU-Politiker ist der Bertelsmann Stiftung nach eigenem Bekunden seit ihrer Gründung 1977 "verbunden" (siehe Text von Rudolph Bauer in Wernicke/Bultmann (Hg.): "Netzwerk der Macht", S. 306, Fn. 28). Ebenfalls 1977 gründete Biedenkopf seinerseits gemeinsam mit Meinhard Miegel das "Institut für Wirtschaft und Gesellschaft" in Bonn, eine wirtschaftsnahe Denkfabrik. 1983 wurde er von Reinhard Mohn in den frisch gegründeten Beirat der Bertelsmann Stiftung berufen (http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-E2FBA29E-2331FACE/bst/hs.xsl/2088_53061.htm), übrigens gemeinsam mit ZEIT-Verleger Gerd Bucerius, der damals an Bertelsmann eine Beteiligung besaß im Tausch für Anteile an Gruner+Jahr. Biedenkopf wurde Vorsitzender des Beirates der Bertelsmann Stiftung und Mitglied des Beirates des Bertelsmann-Stiftungs-Projekts "Strategien und Optionen für die Zukunft Europas", für das Reinhard Mohn 1986 den Mainzer Politik-Professor und Kohl-Berater Werner Weidenfeld geworben hatte. Biedenkopf verließ den Stiftungsbeirat, als er 1990 Ministerpräsident des Freistaates Sachsen wurde. Mit der Bertelsmann Stiftung kooperierte er auch weiterhin, wie diverse Publikationen zeigen.

Der ehemalige Ministerpräsident Kurt Beidenkopf sitzt im Lenkungsausschuss des staatlichen Bankenrettungsfonds SoFFin angeblich als "Vertreter der Länder". In Wahrheit hat Biedenkopf eine ganz eigene Rolle in den Netzwerken der deutschen Herrschaftselite. Z. B. publiziert er gemeinsam mit dem Harvard-Professor Joseph Nye (http://www.trilateral.org/membship/bios/jn.htm), dem Nordamerikanischen Vorsitzenden der Trilateralen Kommission, die den berüchtigten Bilderberg-Konferenzen nahesteht.

Biedenkopfs Vater war technischer Leiter der zum IG-Farbenkonzern gehörenden Buna-Werke in Schkopau. Seit seiner Kindheit war Kurt Biedenkopf ein Freund der Familie des skrupellosen Arisierers und Gummi-Fabrikanten Fritz Ries (Pegulan), dessen Tochter Ingrid Ries Kurt Biedenkopf 1979 in zweiter Ehe heiratete. Ries förderte schon früh den jungen Politiker Helmut Kohl und war ein Duzfreund von Franz Josef Strauss. Fritz Ries und Hanns Martin Schleyer, die sich aus Heidelberger Studententagen und der Burschenschaft Korps Suevia kannten, pflegten in den siebziger Jahren einen Klüngel aus Politikern und Industriellen mit dem Ziel mittels verdeckter PR-Kampagnen und Intrigen Willy Brandt zu stürzen und die sozialliberale Koalition zu beenden. Zuletzt setzten sie auf das "Tandem Kohl-Biedenkopf" zur Übernahme der Kanzlerschaft. Kohl sollte die Antriebskraft liefern, Biedenkopf den intellektuellen Part übernehmen. Doch 1977 beging Ries Selbstmord, Schleyer wurde von der RAF ermordet.

DRINGENDE LESEEMPFEHLUNG: das gesamte "Schwarzbuch Helmut Kohl":
Kostenlos als PDF: http://www.indymedia.org/media/2007/03/881330.pdf
Weiterer Link: http://www.scribd.com/doc/17662991/Engelmann-Schwarzbuch-Helmut-Kohl-Oder-Wie-Man-Einen-Staat-Ruiniert-1998

Hier finden sich Auszüge:
Bernt Engelmann, Schwarzbuch Helmut Kohl, Wie alles begann, Steidl Verlag Göttingen
(Über Freunde und Förderer von Kurt Biedenkopf)
http://www.karl-nolle.de/artikel/index/id/1828

Auch wichtig, teilweise detaillierter: "Großes Bundesverdienstkreuz", Steidl 1974/2000,

Ries Selbstmord wird den wirtschaftlichen Schwierigkeiten zugeschrieben, in denen sich das Unternehmen damals befand. Deren Ursache lag möglicherweise auch in einer kritischen Veröffentlichung aus dem Hause Bertelsmann über die Nazivergangenheit des Unternehmers. Es handelt sich um den Titel "Großes Bundesverdienstkreuz" von Bernt Engelmann, der 1974 in Bertelsmanns AutorenEdition erschienen war. Die Bedingungen der Arisierung, unter denen Fritz Ries sein Unternehmen ausbaute, und sein Treiben in der Nachkriegszeit erzählt Engelmann eingebettet in eine fiktive Rahmenhandlung. Er nennt das Ergebnis "Tatsachenroman".

Mehr dazu in:

DIE ZEIT, 20.09.1974 Nr. 39
Was ist und was darf ein "Tatsachenroman"?
Mittlerer Blitz
Von Richard Schmid

""Es wird bewiesen, "daß ehemalige Gestapohelfer, SS-Führer und 'Arisierer' nicht nur zu den Reichsten und Mächtigsten der Bundesrepublik gehören." Und Engelmann schreibt, daß sie „unheilvoll weiterwirken können im alten Nazigeist, getarnt hinter Bezeichnungen wie christlich'', 'demokratisch' oder 'sozial', mit geheimen Giftküchen, die als 'gemeinnützig' anerkannt sind, und sogar noch mit dem großen Verdienstkreuz ausgezeichnet". Der Buchtitel steht symbolisch für den mehr oder minder heimlichen Prozeß der Machtübernahme dieser Herren."

Und ZEIT-Autor Richard Schmidt wundert sich:

"Der Verlagsname Bertelsmann erscheint im Buch ebensowenig wie — um die Kuriosität vollzumachen — ein Verlagsort. Will sich Bertelsmann der Verantwortung für einen "Tatsachenroman" entziehen, der doch von der (seinem Imperium zugehörenden) "AutorenEdition" herausgebracht wird und ohne das Vertriebsnetz des Groß Verlages schwerlich unter die Leute kommen kann?"
http://www.zeit.de/1974/39/Mittlerer-Blitz

Fragen über Fragen. Und eine weitere Frage: Warum landete Biedenkopf noch im selben Jahr des Todes von Fritz Ries bei der Stiftung jenes Verlegers, der Ries so zugesetzt hatte?

Ebenfalls verwunderlich: Der Bertelsmann-Manager Dieter Vogel wechselte 1975 auf Empfehlung von Hanns Martin Schleyer in den Ries-Konzern (Pegulan). Nach Ries' Tod wird er gar Vorstandsvorsitzender des Ries-Konzerns, an dem die Gattin von Franz Josef Strauss einen Anteil hält, den ihr Ries geschenkt hatte. Ab 1986 wechselt Vogel zur Thyssen-Handelsunion und in den Thyssen-Vorstand, 1996 wird er Thyssen-Chef. 1991 kehrte Dieter Vogel nebenbei in den Bertelsmann-Konzern zurück, als Aufsichtsratsvorsitzender und BVG-Gesellschafter.
http://de.indymedia.org/2009/02/241781.shtml

Heute ist Dieter Vogel Kuratoriumsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung und als einer von zwei Mohn-familienfremden Managern in der Bertelsmann-Verwaltungsgesellschaft (BVG), die die Stimmrechte über den Bertelsmann-Konzern ausübt. http://media.de.indymedia.org/media/2009/02//241783.pdf

Hier noch einige erläuternde Infos zur SoFFin/HRE-Rettung:

Hier enthalten eine Übersicht über die Mitglieder der Gremien, sowie eine Kritik an Geheimhaltung, mangelnder parlamentarischer und öffentlicher Kontrolle:

13.05.2009
SoFFin
Wer sieht den Bankenrettern auf die Finger?
Rund 480 Milliarden Euro stellt der Staat bereit, um die maroden Banken zu stabilisieren. An wen die Gelder fließen, entscheidet allein der Rettungsfonds SoFFin.
Von FOCUS-MONEY-Redakteur Thomas Wolf
Url: http://www.focus.de/finanzen/news/tid-14247/soffin-wer-sieht-den-bankenrettern-auf-die-finger_aid_398437.html

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http://www.soffin.de/fonds_orga.php?sub=2
Der Lenkungsausschuss
entscheidet über Stabilisierungshilfen auf Grundlage von Vorschlägen des Leitungsausschusses, über Grundsatzfragen, Angelegenheiten besonderer Bedeutung sowie über Auflagen für Finanzunternehmen, die Leistungen des Fonds in Anspruch nehmen wollen.
Er ist besetzt mit je einem Vertreter
• des Bundeskanzleramts,
• des Bundesministeriums der Finanzen,
• des Bundesministeriums der Justiz,
• des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie
• sowie einem Mitglied der Länder.

Ein Vertreter der Deutschen Bundesbank gehört dem Lenkungsausschuss beratend an. Der Ausschuss kann weitere beratende Mitglieder hinzuziehen

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Hypo-Real-Estate-Rettung: HRE - ein "Fass ohne Boden"

Heute verabschiedet der HRE-Untersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht. Zugleich kommt heraus, dass der ehemalige oberste Bankenretter der Republik kurz vor seinem Rücktritt ein "Fass ohne Boden" befürchtete - bei der HRE.
18. September 2009
Von Hans-Martin Tillack
„Zugleich verdiene nun etwa die Deutsche Bank bis zu 100 Millionen Euro an den Krediten, die sie der Krisenbank gewährt habe.“
http://www.stern.de/wirtschaft/news/unternehmen/hypo-real-estate-rettung-hre-ein-fass-ohne-boden-1509656.html

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Url: http://www.focus.de/finanzen/news/tid-14247/soffin-wer-sieht-den-bankenrettern-auf-die-finger_aid_398437.html
13.05.2009, 06:03

SoFFin
Wer sieht den Bankenrettern auf die Finger?
Rund 480 Milliarden Euro stellt der Staat bereit, um die maroden Banken zu stabilisieren. An wen die Gelder fließen, entscheidet allein der Rettungsfonds SoFFin.
Von FOCUS-MONEY-Redakteur Thomas Wolf
dpa
Der Etat des Rettungsfonds SoFFin ist fast doppelt so hoch wie der Bundeshaushalt
Jahr für Jahr wiederholt sich im Deutschen Bundestag ein Ritual, das die Abgeordneten in fiebrige Erregung versetzt: Eine Woche lang debattieren sie den Haushalt der Bundesregierung. Posten für Posten wird der Etat jedes einzelnen Ministeriums durchgekaut – und selten gerät der Schlagabtausch der Parlamentarier hitziger als während dieser Zeit. Das ist nicht verwunderlich, schließlich geht es um viel Geld. Rund 290 Milliarden Euro beträgt das Volumen des Bundeshaushalts 2009.

Im Verborgenen arbeiten

Verglichen mit dem Etat des „Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung“ (SoFFin), nehmen sich diese Summen freilich fast bescheiden aus. 480 Milliarden Euro hat der Fonds zur Verfügung, um die taumelnde Finanz- und Bankenszene der Bundesrepublik zu stabilisieren. Davon sollen rund 400 Milliarden Euro in Form von Bürgschaften und Garantien zur Verfügung gestellt werden, etwa 80 Milliarden können die Institute als direkte Beihilfen in Anspruch nehmen. Doch obwohl das Volumen des Banken-Rettungspakets fast das Doppelte des Bundeshaushalts umfasst, arbeitet der SoFFin weitgehend im Verborgenen. Die Öffentlichkeit erfährt vom Wirken des Stabilisierungsfonds und von der Vergabe der Mittel so gut wie nichts.
Vergleich – Ausgaben des Bundes und Finanzmittel des SoFFin

Milliarden Euro
Mittel des SoFFin* 480,0
Bundeshaushalt 2009 290,0
Bundeszuschuss zur Rente 79,2
Etat Bundesministerium Arbeit und Soziales 42,6
Neuverschuldung 2009 18,5
*Garantien, Rekapitalisierungen und Risikoübernahmen Quelle: FOCUS-MONEY

Aber lautete nicht eine der wichtigsten Lehren aus der Wirtschaftskrise „mehr Transparenz“? Wer sind eigentlich die „Herren der Milliarden“ – und wer beaufsichtigt ihre Arbeit? Findet eine wirksame Kontrolle statt – und ist sie überhaupt möglich?

Geballte Fachkompetenz

Was auch immer Kritiker dem SoFFin vorwerfen könnten – mangelnden Sachverstand sicher nicht. So sind die Mitglieder des dreiköpfigen Leitungsausschusses, Hannes Rehm, Christopher Pleister und Gerhard Stratthaus, allesamt studierte Ökonomen und verfügen über reichlich Erfahrung im Geschäft mit Geld. Hannes Rehm, seit Februar dieses Jahres Sprecher des Leitungsausschusses, hatte nach Studium und Promotion seit Mitte der 70er-Jahre diverse Positionen in der bundesdeutschen Kreditwirtschaft inne. Dazu gehören Aufgaben bei der WestLB ebenso wie beim Bundesverband öffentlicher Banken oder beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband.

Ehe er den Vorsitz beim SoFFin übernahm, war er fast vier Jahre lang Vorstandsvorsitzender der Norddeutschen Landesbank, die im Gegensatz zu krisengeschüttelten Konkurrenzinstituten bisher relativ wenig Negativschlagzeilen machte. Auch Rehms Vize Christopher Pleister, ein promovierter Volkswirt, darf als erfahrener Banker gelten:

Immerhin war er fast acht Jahre lang Präsident des Bundesverbands der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken. Und Gerhard Stratthaus, studierter Betriebswirt und Diplom- Handelslehrer, amtierte zehn Jahre lang als badenwürttembergischer Finanzminister, ehe er in den Rettungsfonds berufen wurde.

Lenkungsausschuss bestimmt den Takt
Der Leitungsausschuss macht Vorschläge zu Stabilisierungshilfen – die Entscheidungen fallen jedoch im Lenkungsausschuss. Und auch dort fehlt es nicht an fachlicher Kompetenz. Den Vorsitz führt Jörg Asmussen, im „Hauptberuf“ Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Obwohl der gebürtige Flensburger erst 43 Jahre alt ist, kann er bereits reichlich Erfahrung vorweisen – und auf eine steile Karriere zurückblicken. Nach Volkswirtschaftsstudium in Gießen und Bonn und einem MBA-Abschluss an der Mailänder Bocconi-Universität heuerte Asmussen 1996 im Finanzministerium an. Gestartet als Referent in der Abteilung für internationale Finanz- und Währungspolitik, wurde er schon bald persönlicher Referent des damaligen Staatssekretärs Heiner Flassbeck und 1999 Leiter des Ministerbüros unter Hans Eichel (SPD). 2003 wurde er Leiter der Abteilung Finanzmarktpolitik, 2008 schließlich Staatssekretär.

Der Aufsteiger gilt als ebenso arbeitswütig wie einflussreich: So sollen die Berufungen von Axel Weber, einem früheren Hochschullehrer Asmussens, in den Rat der Wirtschaftsweisen und später auf den Sessel des Bundesbankpräsidenten auf seine Initiative zurückgegangen sein. Auch das Verhältnis des Staatssekretärs zu seinem jetzigen Vorgesetzten Peer Steinbrück (SPD) scheint eng zu sein.

Die weiteren Mitglieder des Lenkungsausschusses sind ebenfalls hohe Beamte aus Wirtschafts- und Justizministerium sowie dem Bundeskanzleramt – Kurt Biedenkopf (CDU) als Vertreter der Bundesländer und Bundesbankpräsident Weber sind eher beratend tätig. Die politischen Beamten sind allesamt ausgewiesene Fachleute mit ökonomischem Sachverstand.

So gilt Jens Weidmann aus dem Bundeskanzleramt als wirtschaftspolitischer Kopf hinter Kanzlerin Angela Merkel und Walther Otremba aus dem Wirtschaftsministerium als kreativer Ökonom. Also alles bestens? Ist beim SoFFin nicht der Einfluss der Politik gewahrt und die so oft geforderte Transparenz gewährleistet? Wohl nicht so ganz. Denn bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass zwar die Exekutive, also die Verwaltungs- und Ministeriumsebene, gut vertreten ist. Doch wie sieht es mit der Legislative aus, also dem Parlament? Denn das ist schließlich die Vertretung des Volkes, mithin der Steuerzahler, und die müssen letztlich für die 480 Milliarden Euro geradestehen.

Maulkorb per Gesetz

Das im Oktober 2008 in Kraft getretene Finanzmarktstabilisierungsgesetz regelt die parlamentarische Aufsicht über die Tätigkeit des SoFFin in seinem Paragrafen 10a. Dort heißt es: „Der Deutsche Bundestag wählt für die Dauer einer Legislaturperiode ein Gremium, das aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses besteht.“ Diesem neunköpfigen Gremium gehören Abgeordnete aller im Bundestag vertretenen Parteien an, jeweils drei von CDU/CSU und SPD sowie je ein Abgeordneter von FDP, Linken und den Grünen.

Sie treffen sich immer freitags mit den Abgesandten des Leitungs- und des Lenkungsausschusses. Dass die Öffentlichkeit keine Notiz von diesen Zusammenkünften nimmt, liegt nicht etwa an parlamentarischer Leisetreterei oder an konspirativen Tendenzen, sondern ist gesetzlich vorgeschrieben. In Absatz 3 des Paragrafen 10a heißt es explizit: „Das Gremium tagt geheim. Die Mitglieder des Gremiums sind zur Geheimhaltung aller Angelegenheiten verpflichtet, die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt geworden sind. Dies gilt für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Sitzungen.“

So hat das Aufsichtsgremium zwar das Recht, Fragen zu stellen, und macht auch eifrig davon Gebrauch – doch das war’s dann auch. Das wirksamste Mittel parlamentarischer Kontrolle – über die Öffentlichkeit Druck auf die handelnden Personen auszuüben – steht ihm de facto nicht zur Verfügung. Gestaltenden Einfluss im Vorfeld einer Entscheidung hat der Bundestag bei diesem Verfahren schon gar nicht. Roland Claus, der für die Linke dem Gremium angehört, hält es denn auch für „unverantwortlich, die Tätigkeit des Gremiums auf eine retrospektive Betrachtung zu reduzieren“.

„Brandstifter als oberster Feuerlöscher“
Überrascht kann von derGeheimniskrämerei eigentlich kein Volksvertreter sein – immerhin hat der Deutsche Bundestag das Finanzmarktstabilisierungsgesetz mit großer Mehrheit verabschiedet. Nicht nur Roland Claus spricht in diesem Zusammenhang bitter von einer „Selbstentmündigung des Parlaments“.

Und auch der Bürger reibt sich verwundert die Augen: Spätestens seit der französische Baron Montesquieu im 18. Jahrhundert den Grundsatz der Gewaltenteilung postuliert hat, gilt die Kontrolle der Exekutive durch die Legislative in parlamentarischen Demokratien als eines der vornehmsten Rechte der gesetzgebenden Gewalt. Und die Budgethoheit des Parlaments, also die Aufsicht über Einnahmen und Ausgaben des Staates, war ein Meilenstein in der Entwicklung vom absolutistischen zum demokratisch verfassten Gemeinwesen. Sicher: Die Summen, über die der SoFFin befindet, gehören nicht zum Bundeshaushalt, und Garantien für marode Banken sind noch lange keine Ausgaben. Doch sollte der Staat tatsächlich einspringen müssen, wären die Milliardenbeträge schnell reale Belastungen für jetzige und künftige Steuerzahler. Müsste also mitten in der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise der Bundesrepublik das Handeln des vom Finanzministerium – also der Exekutive – dominierten Rettungsfonds nicht von höchstem Interesse für die Abgeordneten des Bundestags sein?

Transparenz mit Folgen

Freilich: Transparenz und Öffentlichkeit sind keine absoluten Werte und können auch nachteilige Folgen haben – insbesondere auf den sensiblen Kapital- und Finanzmärkten. Würde beispielsweise frühzeitig publik, dass eine renommierte Bank auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, könnte das bloße Gerücht bereits bestehende Probleme drastisch verstärken. Das Institut könnte sich nur schwer von anderen Banken Geld leihen, oder Kunden könnten ihre Guthaben abziehen. Dient die gesetzlich verordnete Schweigepflicht des parlamentarischen Kontrollgremiums also letztlich dem Schutz des Finanzplatzes?

In der Praxis laufen solche Argumente wohl eher ins Leere. Zum einen sind börsennotierte Banken ohnehin verpflichtet, kursrelevante Informationen wie Eigenkapitalhilfen oder Garantien per Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen. Und Engpässe oder gar die Schieflage eines Kreditinstituts ließen sich angesichts zahlreicher Analysten und Marktbeobachter wohl kaum lange verborgen halten.

Uneingeschränkte Öffentlichkeit hält sogar der Linken-Abgeordnete Roland Claus nicht für sinnvoll, insgesamt ist für ihn „die Geheimnistuerei“ des Kontrollgremiums aber ein „überzogen gehandhabter Vorgang“. Für ihn bleiben zahlreiche offene Fragen, nicht zuletzt personelle. So sei Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen, der heute dem Lenkungsausschuss des SoFFin vorsteht, in der Vergangenheit im Ministerium für die Finanzmarktpolitik zuständig gewesen. In dieser Zeit habe er – etwa in Fachzeitschriften – Geschäfte mit Finanzinstrumenten wie Verbriefungen gutgeheißen und empfohlen. Claus fällt es daher schwer, „den Brandstifter als obersten Feuerlöscher zu akzeptieren“.

Anträge im Ausschuss

Zur Untätigkeit verdammt ist auch der Deutsche Bundestag nicht. So hat in der vergangenen Woche der Untersuchungsausschuss zur Hypo Real Estate (HRE) seine Arbeit aufgenommen. Dabei geht es um den Niedergang des als systemrelevant eingestuften Instituts, für das der Steuerzahler mittlerweile mit rund 100 Milliarden Euro bürgt. Die Opposition will vor allem die Rolle von Finanzminister Peer Steinbrück erhellen, der – so der FDP-Abgeordnete Volker Wissing – „Daten, Fakten und Erklärungen regelmäßig schuldig“ bleibe.

Über 70 Beweisanträge sollen helfen, den komplexen Sachverhalt aufzuklären. Bei vier Beweisanträgen geht es insbesondere um das finanzielle Engagement des Bundes bei der HRE vor Ausbruch der Krise. Ausgerechnet bei diesen Anträgen haben die Vertreter der Regierungsparteien der Opposition jedoch die Zustimmung verweigert und wollen nur Sachverständige hören. Transparenz sieht anders aus.

Copyright © FOCUS Online 1996-2009


Weitere Informationen:
http://www.bertelsmannkritik.de
http://www.anti-bertelsmann.de
http://wiki.bildung-schadet-nicht.de/index.php/Bertelsmann-kritische_Informationen_und_Materialien
http://www.nachdenkseiten.de/?cat=27


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